"Nächste Station: Poelchaustraße"
Wer waren Dorothee und Harald Poelchau?
„ Doktor Tegel (Deckname für Harald Poelchau) sieht ernst und angegriffen aus.
Fast jeden Tag einen Menschen, den man schätzt oder liebt, zum Schafott begleiten zu müssen,
ist mehr, als ein einzelner ertragen kann.
Dass er es trägt, dass er darüber nicht den Verstand verliert,
sondern jeden freie Minute benutzt, um die Frauen der Verurteilten zu betreuen,
den Verbindungsdienst zwischen ihnen und ihren gefangenen Männern herzustellen,
Untergetauchten zu helfen, Verfolgte unter seinen Schutz zu nehmen, das ist das,
was uns zu diesem Mann fast wie zu einem Heiligen aufblicken lässt.“
Ruth Andreas-Friedrich, Tagebucheintrag vom 20.10.1944
Vor 25 Jahren wurde die frühere Karl-Maron-Straße in Berlin-Marzahn in Poelchaustraße umbenannt.
In einer öffentlichen Veranstaltung wurde nun am 18. September eine dort errichtete Stele übergeben,
die an Dorothee Poelchau (1902–1977) und Harald Poelchau (1903–1972) erinnert.
Beide halfen zwischen 1933 und 1945 mit Mut, Wachsamkeit und meist illegal
Angehörigen von Gefangenen, Juden und anderen Verfolgten.
Harald Poelchau war von 1933 an evangelischer Gefängnispfarrer in Tegel, Plötzensee, Moabit
und weiteren Gefängnissen und begleitete dort Inhaftierte des deutschen und ausländischen Widerstands,
u. a. der Roten Kapelle, des Kreisauer Kreises und des 20. Juli 1944.
Vielen stand er bis in ihre letzten Stunden zur Seite und wurde Zeuge von etwa tausend Hinrichtungen.
Beide wurden 1972 von der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als Gerechte unter den Völkern geehrt.
Harald Poelchau war ab 1951 der erste Sozialpfarrer der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg.
Ziel der Initiatoren des Erinnerungsprojekts ist es, über die Namensgeber,
die keinen biografischen Bezug zur Poelchaustraße haben, zu informieren
und an ihre gelebte Menschlichkeit und Zivilcourage zu erinnern.
Das Ökumenische Forum Berlin-Marzahn e.V. übernahm die Trägerschaft.
Das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf und das bezirkliche Bündnis für Demokratie
und Toleranz wurden als Kooperationspartner gewonnen.
Schulen und Gruppierungen des Stadtteils konnten einbezogen werden.
Das Projekt, insbesondere der Text der Stele und eines begleitenden Faltblatts,
wurden mit den Kindern der Poelchaus abgestimmt.
Finanzielle Unterstützung mehrerer Institutionen und Einzelpersonen ermöglichten die Herstellung der Stele und des Faltblatts.
Arbeitsgruppe Erinnerungsprojekt Poelchaustraße in Marzahn
in Trägerschaft des Ökumenischen Forums Berlin-Marzahn e.V.
Kontakt: Wolfram Hülsemann, Tel.: 030 4261228 und 01716235200
Mail: ag.poelchau-marz at web.de
Am 22. April 2018 nahmen Vertreter
der Arbeitsgruppe und des Ökumenischen Forums
in Begleitung der Bezirksbürgermeisterin von Marzahn-Hellersdorf,
Frau Dagmar Pohle (LINKE), den 3.Preis des Franz-Bobzin-Preises entgegen.
Die Bürgermeisterin hatte die Gruppe für diese Auszeichnung vorgeschlagen.
Benannt ist der Preis nach einem ehemaligen Häftling
des Konzentrationslagers Sachsenhausen.
Der Pädagoge und Politiker Franz Bobzien,
der von 1938 bis zu seinem Tod 1941 im KZ inhaftiert war,
hatte sich unter schwierigsten Bedingungen
vor allem für ausländische jugendliche Mitgefangene engagiert,
indem er ihnen unter anderem Sprachunterricht gab
und ihnen damit half, den Lageralltag besser zu bewältigen.
Zum fünften Mal hatten die Stadt Oranienburg
gemeinsam mit der dort ansässigen Gedenkstätte
und dem Museum Sachsenhausen diesen Preis ausgeschrieben.
Er würdigt Initiativen in Berlin und Brandenburg,
die für Toleranz und Demokratie stehen,
gegen Fremdenfeindlichkeit gerichtet sind
und sich der Aufarbeitung des NS-Regimes widmen.
Die Preisverleihung fand anlässlich des 73. Jahrestages der Befreiung
des Konzentrationslagers Sachsenhausen an dem historischen Ort statt.